Stellungnahme Kinderschutzgesetz NRW

Mit der Verabschiedung des „Kinderschutzgesetz und Gesetz zur Änderung des Kinderbildungsgesetzes“ werden in gemeinsamer Verantwortung zwischen dem Land NRW sowie der Kommune Maßnahmen zusammengeführt, die einen aktiven Kinderschutz vor Ort ermöglichen sollen. Damit wird der dringende gesellschaftliche Auftrag aufgegriffen, alle Rahmenbedingungen zu set-
zen, um junge Menschen vor allen Formen von Gewalt zu schützen.

Die AGOT NRW ist der Zusammenschluss von fünf Trägergruppen und begreift sich als die Interessenvertretung für die Offene Kinder und Jugendarbeit sowie der Kinder und Jugendlichen, die unsere Einrichtungen besuchen (
https://agotnrw.de/ueberuns/dieagot/ abgerufen am 24.11.2021). Für die Offene Kinder und Jugendarbeit (OKJA) sind die Beteiligung und das Mitentscheiden von jungen Menschen handlungsleitend. Dies bezieht sich vor allem auf das Verfahren zum Kinderschutz. Viele junge Menschen erleben unsere Einrichtungen als Ort des Schutzes, als einen Raum, in dem ihre Sorgen und Nöte gehört werden, mit Menschen, die für sie da sind. Die OKJA ist damit in vielen Kommunen ein Element wirksamen Kinderschutzes, indem hier oft erste Informationen ermittelt werden können, die wertvolle Informationen für eine Gefährdungseinschätzung liefern und dabei die Perspektive der Besucher*innen fest im Blick haben. Kinder und Jugendliche erleben sich in ihrer Selbstwirksamkeit. Den Verlauf eines Verfahrens, also einer Gefährdungseinschätzung mit anschließender Ermittlung von Schutzfaktoren und Interventionsmöglichkeiten, entscheiden Kinder und Jugendliche mit. Im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte sind die Multiplikator*innen aus der OKJA wertvoll für die Perspektive der gefährdeten Menschen.

Die Einrichtungen der OKJA arbeiten quartiersbezogen und sind in Netzwerke eingebunden. Sie sind daher für einen wirksamen kooperativen Kinderschutz unbedingt mitzudenken. Da in einigen Einrichtungen auch ganze Familien bekannt sind, können Fachkräfte der OKJA bei der Entwicklung von Schutzfaktoren eine breite Perspektive einbringen.

Die OKJA ist insbesondere in §11 des Kinderschutzgesetzes verortet. Gerne nehmen wir zu ausgewählten Abschnitten des Gesetzentwurfs Stellung.
 

Zu § 11: Schutzkonzepte in Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe
(1)

Die Einrichtungen und Angebote der Kinder und Jugendhilfe sollen ein Kinderschutzkonzept entwickeln, anwenden und regelmäßig überprüfen. Die AGOTNRW befürwortet eine aktive Auseinandersetzung innerhalb der Einrichtung über Schutzfaktoren, Risikofaktoren und Potentiale zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen und stimmt mit dem Gesetzentwurf überein, dass die Entwicklung eines Konzepts darüber hinaus Verfahrensweisen zum Umgang mit Gewalt gegen Kinder und Jugendliche außerhalb der Einrichtungen entwickelt.

(3)

Mit der Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes im Jahr 2012 haben die Einrichtungen bereits Konzepte zum Kinderschutz verankert. Diese Konzepte sind Elemente bestehender Kooperationsvereinbarungen mit den kommunalen Jugendämtern. Eine bewährte Praxis war und ist dabei eine prozesshafte Entwicklung zwischen den Ehren, Haupt und Nebenamtlichen. Eben diese Prozess-
haftigkeit und die Berücksichtigung der Prinzipien der Offenen Kinder und Jugendarbeit muss Teildieser „Hinwirkung“ zu einem Konzept sein. „Hinwirkung“ schließt aus unserer Sicht aus, dass ein bloßes Vorhandensein eines Kinderschutzkonzepts Bedingung für eine Förderung durch Mittel des Kinder und Jugendförderplans NRW ist. Vielmehr regen wir an, dass für die Einrichtungen Res-
sourcen geschaffen werden, um ein Konzept sinnhaft und vor allem unter Beteiligung aller in der Einrichtung Mitwirkenden entwickeln zu können.

Beispielhaft können folgende Ressourcen geschaffen werden:

  • Die Einrichtungen müssen die zeitlichen sowie personellen Ressourcen erhalten, um ein geeignetes Konzept entwickeln zu können.
  • Den Einrichtungen müssen regelmäßige Fortbildungen ermöglicht und angeboten werden. Die Fortbildungsangebote müssen dabei so strukturiert sein, dass vor allem Ehrenamtliche auch daran teilnehmen können.
  • Die kommunalen Träger sollen in Beratungsfunktion mit der Entwicklung zur „Hinwirkung“ zu einem Konzept unterstützen.
  • Die Dachverbände der freien Träger sind in die Beratungen, sofern dies die Träger vor Ort wünschen, einzubeziehen.
  • Im Rahmen der konzeptionellen Entwicklung müssen die Strukturmerkmale der Offenen Kinder und Jugendarbeit und insbesondere im Rahmen eines positiven Präventionsver ständnisses das Ziel der Stabilisierung und Stärkung der Persönlichkeit der jungen Men- schen mitgedacht werden.
  • Der „Eigensinn“ der Offenen Kinder und Jugendarbeit muss dabei in Abgrenzung zum intervenierenden Kinderschutz der (u.a. präventiv angelegten) Jugendhilfe akzeptiert sein.
  • Die Kriterien für die Evaluation müssen dialogisch mit den Trägern entwickelt werden.

(5)
Die Entwicklung eines geeigneten Konzeptes gilt auch für Einrichtungen, die im Rahmen der Offenen Ganztagsschule Angebote erbringen. Auch bei der Verzahnung von Konzepten sind dabei die Strukturmerkmale der Jugendarbeit in der Kooperation mit Schule zu berücksichtigen.

Aus Sicht der AGOTNRW stellt sich kritisch die Frage, inwiefern auch die Institution Schule im Rahmen des Kinderschutzes berücksichtigt wird, zumal sie explizit im Netzwerk Kinderschutz als zu beteiligende Stelle benannt wird (§9 (4)).

(6)

Eine gemeinsame Entwicklung von Qualitätskriterien mit den Trägern ist ebenfalls begrüßenswert, jedoch müssen auch den Trägern entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.


Ausgehend von den Grundlagen für die (Weiter)entwicklung eines geeigneten Konzepts beziehen wir zu weiteren Ausführungen im Gesetzentwurf Stellung:

zu § 1 Kinderrechte, Grundsätze

Eine Bezugnahme zur UNKinderrechtskonvention ist aus Sicht der AGOTNRW sehr zu begrüßen.

zu § 2 Ziele, Aufgaben und Begriffsbestimmungen

Die Festlegung von trägerunabhängigen und damit allgemeingültigen Maßstäben ist aus Sicht der AGOTNRW sinnvoll. Hierbei sollten aber bereits etablierte und erprobte Maßstäbe, Verfahrenswege, Standards und Rahmenbedingungen der Träger vor Ort unbedingt berücksichtigt werden.

Die AGOTNRW begrüßt die Klarstellung des Kinderschutzes als Querschnittsaufgabe sowie die Betonung eines kooperativen Kinderschutzes, der „in der Bildung, Aufrechterhaltung und fachlichen Qualifikation interdisziplinärer Netzwerke zwischen Beteiligten am Kinderschutz“ besteht.

Wie bereits dargestellt ist dabei die Jugendarbeit mitzudenken.

 
Nach unseren Erfahrungen ist ein interdisziplinäres Fallverständnis wertvoll und für die Abwendung bestehender Kindeswohlgefährdung(en) konstruktiv.


zu § 3 Jugendhilfe, Recht auf Beratung, Beteiligung und Information

Damit Partizipation gelingt, sind Beteiligung und Mitmachen entscheidende konzeptionelle Grundsätze, die über das Projekt „Wir machen das grenzenlos“ (
https://agotnrw.de/projekte/wirmachendasgrenzenlos/ abgerufen am 24.11.2021) innerhalb der AGOTNRW mit den Einrichtungen ausgearbeitet werden. Die partizipatorische Haltung aller Beteiligten muss in den Einrichtungen verankert sein.

Auch im Rahmen des Prozesses der Gefährdungseinschätzung ist es aus der Sicht der Fachkräfte wesentlich, Kinder und Jugendliche einzubinden und ihnen „unterstützend die Gestaltungsmacht über das Verfahren zu geben“. Die AGOTNRW begrüßt ausdrücklich, dass Kinder und Jugendliche an allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen sind. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Ebenen der Beteiligung der jungen Menschen am Verfahren auch in den Kinderschutzkonzepten beschrieben und Umsetzungsmöglichkeiten dargestellt werden.


zu § 9 Netzwerke Kinderschutz

Die AGOTNRW begrüßt das Vorhaben einer prozesshaften und wiederkehrenden Qualitätsentwicklung. Auch im Rahmen der Initiierung von Netzwerken zum Kinderschutz müssen dabei die Träger der Einrichtungen der Offenen Kinder und Jugendarbeit mitgedacht werden. Sinnvoll ist dabei die Berücksichtigung des Trägers im Netzwerk, gerade um bedarfsgerechte Qualifizierungsangebote zu entwickeln.

Schließlich bieten die Fachkräfte in den Einrichtungen wertvolles Wissen über das Quartier und sind Expert*innen für die Interessen, die Themen und die Bedürfnisse der jungen Menschen. Für die Einbindung in ein Netzwerk Kinderschutz sind entsprechende Ressourcen zu ermöglichen.

Abschließend spricht sich die AGOTNRW dafür aus, dass auch in der Arbeit in den Netzwerken Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche aufzeigt werden. Es gilt Prozesse transparent zu machen sowie aufzuzeigen, wie und durch wen ihre Interessen konkret vertreten werden.


Gerne steht die AGOTNRW für die weitere Entwicklung von Rahmenbedingungen zur Umsetzung
eines wirksamen Kinderschutzes zur Verfügung.
 


Düsseldorf, 12/2021


 Der Vorstand der AGOTNRW