Bildung geht auch uns an!

Die AGOT NRW setzt sich durch ihr vielfältiges Engagement dafür ein, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit als wichtige*r Bildungsakteur*in gesehen, eingebunden und ausgestattet wird.

Dazu braucht es ein klares politisches Signal zur Anerkennung und Beteiligung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit als Partnerin in Bildungsfragen in allen Politikfeldern, wo Kinder- und Jugendliche betroffen sind sowie eine Ausstattung mit ausreichenden zeitlichen, fachlichen und finanziellen Ressourcen, um dem Bildungs- und Beteiligungsauftrag gerecht zu werden. …

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„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ (afrikanisches Sprichwort)

Nicht erst durch den 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung wird deutlich, dass Bildung mehr ist als Schule. Auch der aktuelle 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung schreibt der Offenen Kinder- und Jugendarbeit nicht nur einen Bildungsauftrag (laut SGB VIII) sondern gleichermaßen eine Bildungsleistung zu. 1

Eine Vielzahl von (Bildungs-) Akteur*innen ist nötig, die in stabilen Netzwerken, im jeweiligen Nahraum von Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, um sie zu erfolgreichen, zufriedenen und sozial kompetenten Menschen werden zu lassen. Das Thema Bildung ist für die AGOT-NRW ein zentrales und prominentes Thema. Bereits 2008 hat sie sich mit der Entwicklung eines breit angelegten Modellprojektes zum Thema Bildungslandschaften aus Sicht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in die Fachdebatte eingebracht und in der nachfolgenden Umsetzung des Projekts BILDUNG(S)GESTALTEN (2011 – 2014) in die Praxis eingemischt und als wichtige Bildungsakteurin vor Ort platzieren können. Seit Abschluss des Projektes BILDUNG(S)GESTALTEN bringt die AGOT-NRW sich weiterhin mit ihrer Expertise in die Fachdiskussion und in Aktivitäten, wie zum Beispiel dem „Dialogforum Bildungslandschaften“ und dem „Zukunftsplan Bildungslandschaften“ ein und stellt das Thema Bildung im eigenen Handeln (eigener Arbeitskreis, Bildungskampagnen) immer wieder vorne an.

Die außerschulische Bildung erfährt einen Bedeutungsgewinn durch den erweiterten Bildungsbegriff in der Fachdebatte der Jugendhilfe, aber vielerorts nicht darüber hinaus. Die außerschulische Bildung findet im Bildungsdiskurs nur sehr wenig Berücksichtigung, da der Begriff Bildung gesellschaftlich und gedanklich weiterhin eng verknüpft ist mit den klassischen, formalen Bildungssystemen wie Schule und Ausbildung, wenngleich im aktuellen nationalen Bildungsbericht 2018 außerschulische Lernorte und hier insbesondere die Kinder- und Jugendarbeit Erwähnung finden. 2

Offene Kinder- und Jugendarbeit ist eine bedeutende Bildungsplattform neben Familie und Schule/Ausbildung. Sie fördert junge Menschen stärkenorientiert, unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit und sozialen Herkunft unter anderem durch kreative Selbstlernmöglichkeiten, Peer-to-Peer-Prozesse, erlebbare Selbstwirksamkeit, die Einübung von sozialen Kompetenzen, Methodenvielfalt, Beziehungsverlässlichkeit und Kontinuität. Mit ihrer Expertise und Arbeitsweise wie z. B. Offenheit, Freiwilligkeit und Partizipation leistet sie einen wichtigen ganzheitlichen Beitrag in der Bildungsbiographie junger Menschen und unterscheidet sich damit von formalen Bildungssettings.

Bildung in der Offenen Kinder und Jugendarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl die Möglichkeit als auch die Aufgabe hat, sich immer wieder neu auf das einzulassen, was bei ihren Adressat*innen gerade vorne ansteht. Die Vielfalt der Themen ist dabei grenzenlos und ohne jegliche Vorgaben. Jugendarbeit kann und muss ihre Bildungsthemen demnach sowohl inhaltlich als auch methodisch auf die jeweiligen Adressat*innen abstimmen und gestalten. Dabei ist Jugendarbeit frei von Qualifikationszielen und vordefinierten Erfolgen, aber immer nah an den Adressat*innen. Diese Nähe ist nicht zuletzt aufgrund der Freiwilligkeit notwendig und qua Gesetz verpflichtend (Orientierung an den Interessen der Jugendlichen). Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit stellt immer das Kind, den Jugendlichen in den Mittelpunkt. Bildung heißt im Kontext der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, sich (selber) bilden. Kinder und Jugendliche sind mündige Subjekte, die sich als ‚sich bildende‘ Subjekte und nicht ‚zu bildende‘ Subjekte erleben. Sie sind selber aktive Gestalter*innen ihrer eigenen Bildungsbiografie. 3

Offene Kinder- und Jugendarbeit bleibt für Kinder- und Jugendliche als Bildungsakteurin interessant und darüber hinaus dem eigenem Bildungsanspruch gerecht, indem sie immer wieder neue, an die jeweilig Teilnehmenden angepasste und auf ihre Potentiale und Stärken abgestimmte Angebote hervorbringt.

Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit findet in partizipativen Aushandlungsprozessen statt. Die individuellen Bedürfnisse müssen und werden im Kontext der umgebenden Gesellschaft (z. B. dem Jugendzentrum) reflektiert und wechselwirksam verhandelt. Dabei ist die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit sowohl durch persönliche Erfolge als auch durch die eigenen Misserfolge wichtige für das weitere Handeln in dieser Gesellschaft.

Die AGOT-NRW setzt sich durch ihr vielfältiges Engagement dafür ein, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit als wichtige Bildungsakteurin gesehen, eingebunden und ausgestattet wird.

Dazu braucht es ein klares politisches Signal zur Anerkennung und Beteiligung Offener Kinder- und Jugendarbeit als Partnerin in Bildungsfragen in allen Politikfeldern, wo Kinder- und Jugendliche betroffen sind sowie eine Ausstattung mit ausreichenden zeitlichen, fachlichen und finanziellen Ressourcen, um dem Bildungs- und Beteiligungsauftrag gerecht zu werden.

Politisch muss die Offene Kinder- und Jugendarbeit in allen Politikfeldern auch über die Jugendhilfe hinaus als unverzichtbare*r Partner*in in Bildungsfragen im Sinne des erweiterten Bildungsbegriffes gesehen und anerkannt werden. Um die Entwicklung einer sozialräumlichen Vernetzung „von unten“ zu fördern und strukturell umzusetzen (wofür die Offene Kinder- und Jugendarbeit sich durch ihre Arbeitsprinzipien der Subjekt- und Sozialraumorientierung sowie der Partizipation stark macht), braucht es ein klares Bekenntnis und den politischen Willen.

Fachlich müssen die Fachkräfte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit mit ihrer unverzichtbaren Expertise in Bildungsfragen in die kommunalen Bildungsnetzwerke selbstverständlich mitgedacht und eingebunden werden. Dafür müssen die Fachkräfte sich in den entsprechenden Netzwerken aktiv mit ihren Kompetenzen (Partizipations-, Inklusions-, Beziehungs-, Fürsprecherkompetenz uvm.) einbringen. Darüber hinaus muss es der Offenen Kinder- und Jugendarbeit aber auch gelingen, sich ihre eigene Position in den aktuellen Bildungsanstrengungen zu sichern. Dies gelingt nur durch Akzentuierung und Präzisierung des eigenen jugendarbeiterischen Anspruchs und (gesetzlichen) Auftrages, weg von immer mehr geforderter Betreuungspraxis, Kooperation und Prävention zur Unterstützung von Schule/Ausbildung und Familie. 4

Investiv muss die Offene Kinder- und Jugendarbeit für ihren Bildungsauftrag und die geforderten Bildungsleistungen ausreichend ausgestattet werden. Es bedarf zeitlicher, fachlicher und finanzieller Ressourcen für die kontinuierliche Fachkräftequalifizierung, für Vernetzungsaktivitäten sowie die Durchführung gemeinsamer (Bildungs-)Angebote und der Bildungspraxis der Einrichtungen im Alltag.