AGOT-NRW stellt bildungspolitische Streitschrift „Auf dem Weg zur gelingenden Schule“ vor

Im mit über 120 Teilnehmer/innen gefüllten Saal „Rhein“ im Landesjugendamt Rheinland stellte die Arbeitsgemeinschaft Haus der Offenen Tür NRW (AGOT-NRW) ihre neue bildungspolitische Streitschrift mit dem Titel „Auf dem Weg zur gelingenden Schule“ vor. Um die vielschichtigen, bildungsrelevanten Erfahrungen Offener Kinder- und Jugendarbeit zu bündeln und um daraus ihre bildungspolitischen Positionen weiterzuentwickeln, hat die AGOT-NRW vor einem Jahr die Kommission „Schule und Jugendarbeit“ eingerichtet. Unter Mitarbeit hauptberuflicher Fachkräfte, schulnaher und –ferner Bildungsexperten/innen ist diese bildungspolitische Streitschrift erarbeitet worden. Die AGOT-NRW will durch diese Streitschrift Impulse setzen, um an der Weiterentwicklung des heutigen Bildungssystems im Interesse der Förderung von Kindern und Jugendlichen mitzuwirken. Für das Bildungssystem Schule hat die Offene Kinder- und Jugendarbeit hier und jetzt Vorstellungen entwickelt, wie gelingende Lernwege aussehen können und aussehen müssen. In diesem Sinn geht diese Streitschrift über die Frage der Schulstruktur weit hinaus, getragen vom Selbstverständnis der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Nordhein-Westfalen, dass es eine ständige Herausforderung ist, sich in Systeme einzumischen, die über das Leben der Besucher/innen von offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen mitentscheiden.

Die Streitschrift „Auf dem Weg zur gelingenden Schule“ gliedert sich in acht Abschnitte. Zu Beginn werden die gravierenden Schwächen des Bildungssystems aufgegriffen, die auch innerhalb von Schule zunehmend diskutiert werden. Die Fakten zur Bildungswirklichkeit in Nordrhein-Westfalen sprechen dabei eine mehr als deutliche Sprache: fast 80.000 Wiederholer/Nichtversetzte/Zurückgestellte an den allgemein bildenden Schulen im nordrhein-westfälischen Bildungssystem markieren einen traurigen Höhepunkt. Fast 12 Prozent aller Hauptschüler/innen verlassen diese Schule ohne jeglichen Abschluss bzw. erreichen nur den Abschluss der Klasse 9. Bei den Migrantenjugendlichen sieht diese Situation noch katastrophaler aus: im Schuljahr 2004/2005 verließen über 22 Prozent aller Migrantenjugendliche die Hauptschule ohne Abschluss bzw. mit dem Abschluss der Klasse 9.

Auch zur finanziellen Ausstattung des bundesweiten und nordrhein-westfälischen Bildungssystems nimmt diese Streitschrift Stellung: wir sind und bleiben ein bildungspolitisches Entwicklungsland im europäischen Ländervergleich.

Angesichts der hier vorgestellten Fakten zur Bildungswirklichkeit stellt die AGOT-NRW fest: „Die hier genannten Schwächen verhindern gerechte Bildungschancen für Kinder und Jugendliche, und das trifft die Sozialbenachteiligten besonders. Das nordrhein-westfälische Bildungssystem bewirkt soziale Selektion und Bildungsdefizite. Anstatt junge Menschen zu stärken und individuell zu fördern, schwächt es sie.“

Neben der bildungspolitischen Reflexion von Positionen stand während der einjährigen Kommissionsarbeit der Besuch von Schulen im Vordergrund, die sich bereits auf dem Weg gemacht haben, sich zu gelingenden Schulen weiterzuentwickeln. In diesen Schulen wurde festgestellt, dass die Art, wie in ihnen gelernt und gefördert wird, nicht sehr erfolgreich war. Während dieser Besuche stellten die Mitglieder der AGOT-Kommission fest, dass es in Deutschland und auch in NRW Schulen gibt, die sich Zeit für ihre Schüler/innen nehmen und in denen gern und nachhaltig gelernt wird. Neben dem Abschnitt zur Haltung des Lernens, zu den Axiomen des Lernens und zum Prinzip des Lernens beschreibt die Streitschrift ausführlich die besuchten Praxisbeispiele, ausgehend von der schon legendären Labor-Schule Bielefeld, deren wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse und Konzepte bis heute zu wenig Eingang in das „normale“ Bildungssystem gefunden haben.

Nach der ausführlichen Darstellung des pädagogischen Selbstverständnisses der Offenen Kinder- und Jugendarbeit als Partner der gelingenden Schulen und der Förderung von Kindern und Jugendlichen entwickelte die AGOT-NRW konkrete Vorstellungen und Forderungen an eine gelingende Bildungspolitik, inklusive der gelingenden Kooperation von offener pädagogischer Arbeit mit den Schulen.

Am 26. September 2006 stellte die AGOT-NRW diese bildungspolitische Streitschrift der interessierten Öffentlichkeit vor. Der landesweiten Einladung folgten über 120 Teilnehmer/innen. Der Experte für Ganztagsschulen und Weggefährte von Hartmut von Hentig, Otto Herz, wurde um eine Introduktion gebeten, und zwar zum Thema „Wann gelingt Lernen?“ Nach der beeindruckenden und fesselnden Einführung von Otto Herz erhielten die Vertreter/innen der Landtagsfraktionen Gelegenheit aus ihrer Sicht, Stellung zur bildungspolitischen Streitschrift zu nehmen. Neben viel Lob und der Herausstellung der Gemeinsamkeiten im Interesse der Förderung von Kindern und Jugendlichen wurden die trennenden Linien bei der Frage der Schulstruktur wieder deutlich.

Nach diesen Interventionen der Landespolitiker/innen präsentierte die AGOT-NRW die Kurzfassung des hochinteressanten Dokumentarfilms des Bildungsjournalisten Reinhard Kahl zu den gelingenden Schulen in Deutschland, auch „Treibhäuser der Zukunft“ genannt. Zum Abschluss gab es noch eine Podiumsdiskussion, in der wesentliche Fragestellungen erörtert und weitere Positionen verdeutlicht wurden.

Diese gelungene Präsentationsveranstaltung über das gelingende Lernen hatte ein großes Manko: aus dem Schulbereich erschienen zwei Menschen zu dieser Veranstaltung zum großen und wichtigen Oberthema „Wann gelingt Lernen ?“

Die Broschüre „Auf dem Weg zur gelingenden Schule – eine bildungspolitische Streitschrift aus Sicht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“ kann in der Geschäftsstelle der AGOT-NRW bestellt werden.

Norbert Kozicki

(Falken Bildungs- und Freizeitwerk NRW e.V.)